Medieninformatik in Bremen

Medieninformatik


Mein persönlicher Erfahrungsschatz…


von Rike


Ich studiere seit zwei Semestern Medieninformatik an der Uni Bremen. Die MEDIENinformatik habe ich hauptsächlich wegen der kürzeren Studiendauer gewählt (nur 6 Semester bis zum Bachelor), weil ich eigentlich nicht mehr als vier Jahre an der Uni verbringen möchte. Schliesslich bin ich auch schon ’nen Tacken älter… Ob das auch so klappt, ist natürlich eine ganz andere Frage.


Medieninformatik heisst hier in Bremen: 70% Informatik, 30% Gestaltung. Vielleicht ein Drittel der ursprünglich 42 Leute, die vor einem Jahr mit mir zusammen angefangen haben, sind ziemlich bald wieder von der Bildfläche verschwunden, zum Teil, weil sie sich einen höheren Anteil an Gestaltung/Design vorgestellt hatten (ich erinnere mich auch an zwei oder drei, die von Kunsthochschulen abgelehnt worden waren…), zum Teil, weil die Anforderungen in der Informatik doch ziemlich hoch waren.
Viele auch "normale" InformatikerInnen haben regelmässig 10-15 Stunden pro Woche an den Übungsaufgaben gesessen, und das hat vor allem bei den "nebenbei" Berufstätigen die Belastbarkeitsgrenze deutlich überschritten. Dazu muss eine wissen, dass gerade die Medieninformatik explizit auch als Teilzeitstudium konzipiert sein sollte… Mittlerweile sind wir allerdings trotzdem wieder etwa 40 Leute, da es einige QuereinsteigerInnen und Nachrückende gab.


Da wir den ersten Jahrgang in diesem neuen Studiengang stellen, herrscht natürlich noch ziemlich viel Chaos. Es gibt erst eine handfeste Kooperationsvereinbarung mit einer ausländischen Hochschule (wir MÜSSEN ein Auslandssemester absolvieren), es gibt noch keine "offiziellen" Richtlinien für das obligatorische dreimonatige Betriebspraktikum, der Medieninformatik-Lehrstuhl ist noch nicht besetzt, und die englischsprachigen Lehrveranstaltungen (die immerhin etwa die Hälfte aller LVs ausmachen und unserem Studiengang den internationalen Anstrich verleihen sollen) sind leider auch immer noch Zukunftsmusik.
Im ersten Semester waren so ziemlich alle Dozenten von unserer Existenz überrascht (bis auf die zwei, die unseren Studiengang wesentlich mitgeplant haben), und dass wir ganz andere Bedingungen als die "normalen" InformatikerInnen haben (z.B. geht bei uns von Anfang an jeder einzelne Schein in die Abschlussnote ein), wissen bis heute noch die wenigsten. Naja, das ist wohl das Schicksal der PionierInnen…


Dass wir so wenige sind, ist in der Informatik erstmal kein Vorteil, denn die grundständigen Vorlesungen in Mathematik und Praktischer Informatik haben wir zusammen mit den InformatikerInnen, d.h. im ersten Semester saßen an die dreihundert Studierende im größten Hörsaal der Uni. (Es gibt hier für Informatik noch keinen numerus clausus.)
Die drei weiteren Fächer des ersten Semesters waren Exklusivveranstaltungen. Die Grundlagen der Gestaltung lehrte ein professioneller Designer. Das war toll: endlich mal was anderes, nicht nur ja oder nein, richtig oder falsch, nicht mal gut, mittel, schlecht. Es gab eigentlich nur: ich finde…, mein Eindruck ist…, wie wäre es… Und keine wöchentlichen Abgabetermine störten die kreative Entfaltung! Sehr erholsam…


Die Bremer Uni ist vor über zwanzig Jahren als Reformhochschule gegründet worden. Aus den damaligen Vorstellungen hat sich ein Konzept entwickelt, dessen wichtigste Merkmale die vielbeschworene Interdisziplinarität und das sogenannte Projektstudium sind.
In der Informatik sieht das so aus, dass sich die Studierenden im Hauptstudium in erster Linie mit ihrem Projekt beschäftigen (in verschiedenen Lehrveranstaltungen) und zu etwa einem Drittel noch andere LVs belegen.
In der Medieninformatik ist das Projekt auf zwei Semester beschränkt und macht etwa die Hälfte der zu erbringenden Leistungen aus. Im nächsten Semester soll es schon das erste Projekt (Internet-Radio) für uns geben, ob es tatsächlich zustande kommt, ist noch ungewiss.
Die Interdisziplinarität wird in fachbereichseigenen Lehrveranstaltungen abgedeckt, es gibt also kein Nebenfach, sondern einen Schwerpunkt – den wir in der Medieninformatik natürlich schon mit dem Studiengang selbst gewählt haben. Übrigens gibt es auch für die InformatikerInnen den Schwerpunkt "Medieninformatik" (neben Wirtschafts- und Produktionsinformatik).
In welchen Semestern wir das Projekt machen, bzw. ins Ausland gehen, bzw. den Bachelor-Report schreiben, ist uns selbst überlassen. Es wird sich noch zeigen, welche Abfolgen sinnvoll sind und welche eher nicht.


Tja, und das Leben in Bremen… Ich bin vor fast fünf Jahren beruflich nach Bremen gekommen. Interessanterweise sind die meisten Leute, die ich hier kennenlerne, Zugezogene. "Echte" BremerInnen kenne ich fast nur in der Altersstufe meines Sohnes (Grundschule). Ich glaube aber, das ist nicht repräsentativ, denn Bremen ist wirklich eine schöne Stadt (gerade nicht zum Davonlaufen), nicht zu groß, mit viel Erholungswert (wir haben z.B. den großen Bürgerpark, der fast direkt hinter dem Hauptbahnhof anfängt, also ziemlich zentral liegt, ausserdem mehrere Badeseen, die Werder-Halbinsel…). Mir fehlt nur "richtiger" Wald (ich komme aus dem Teutoburger Wald), aber mittlerweile mag ich das Wasser auch nicht mehr missen.

von Rike