Pipilotti Rist

Pipilotti Rist


Künstlerinportrait



Pipilotti Rist, geboren 1962 in St. Gallen, lebt in Basel, Zürich und Leipzig. Nach dem Studium der Gebrauchs-, Illustrations- und Fotographik an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst jobbte sie als Computergraphikerin in der Pharmabranche und besuchte die Videoklasse an der Schule für Gestaltung in Basel. Nebenbei machte Rist – getreu ihren Vorbildern John Lennon und Yoko Ono – Musik.



Die verschiedenen Elemente ihrer Ausbildung kanalisierte sie nach und nach zu dem, was sie heute als „Pop-Artistin“ auszeich-net.


„Video ist wie eine kompakte Handtasche, da ist von Literatur über Malerei bis zur Musik alles drin“, so versuchte Pippilotti Rist 1992 im Gespräch mit Anne Reich, ihre Vorliebe für das flimmernde Medium zu umschreiben.


In ihrer Arbeit, sagt Pippilotti Rist, gehe es ihr fast immer um die Suche nach dem verlorenen Körper.


So gewährt die Künstlerin mit ihrer Installation „Eindrücke verd-auen“ Einblicke ins Innere ihrer Handtasche und ins Innenleben des Körpers.


Jedoch gilt ihr Interesse hierbei weder den anatomischen Gegeben-heiten, noch geht es Rist um die Benutzung neuester Technik. Vielmehr ist sie dem Unsichtbaren des Körpers auf der Spur, bewegt sich zwischen den Polen Innen- und Außenansicht.


Sie will ein ganz normales Fernsehpublikum ansprechen, wel-ches mit traditionellen Kunstfor-men wenig anzufangen weiß, sieht sie sich doch selbst als Kind der Fernsehgeneration, kennt die Probleme bei der Unterscheidung zwischen Realität und Virtualität und weiß eben diese Kenntnis in ihrer Arbeit perfekt einzusetzen.


Einerseits zieht Rist alle Register des technischen Know-Hows, verformt wochenlang das Rohmaterial zu halsbrecherischen Einstellungen, andererseits bringt sie den Computer bewusst bis an den Rand seiner Leistungsfähig-keit, so dass er letzten Endes selbst „Bilder aus dem Unbewussten“ spuckt.


Die dabei entstehenden Bilder haben oft scheinbar rein gar nichts mehr mit dem Rohmaterial gemein, sind extrem verzerrt, verwackelt – „Pipilottis Fehler“, ein 1992 er-schienener Videoband, thematisiert genau diese Unzulänglichkeit der Maschine und korreliert sie mit den eigenen Fehlern.


In ihrem wohl bekanntesten Werk, „Pickelporno“ trifft Frau Mann, in eindeutiger Absicht.


Beide bewegen sich auf einander zu, Hülle um Hülle fällt und nun stellt Rist jede Berührung, jeden Kuss farblich dar – ein visuelles Meer von Sinneseindrücken breitet sich vor dem Betrachter aus.


Rist beschreibt die taktile Qualität des weiblichen Körpers, gleitet mit der Kamera über die Konturen, dringt in jede Pore ein und „verwandelt sie in einen Lustkrater“.


Pipilotti Rist setzt hiermit dem ansonsten eher männlich besetzten „Blick der Kamera“, dem techni-sche Übergriffe und Distanziertheit gegenüber dem Objekt zugeschrie-ben werden, eine universelle Seh-weise gegenüber – ihre eigene.


Es gelingt Rist anscheinend das Innere, das verborgene, die Bedeu-tung jenseits des Sichtbaren zum Ausdruck zu bringen – leibhaftig.



Tine


(redigiert von Maren)




Quelle: „Nicht nur Körper – Künstlerinnen im Gespräch“


Bibliographie (Auswahl):



  • Reich, Anne: „Der Reiz des Unsauberen“. Pipilotti Rist im Gespräch. In: Kunst-Bulletin, Nr. 12, 1992


  • Kempker, Brigitte: „Blut ist der Schuh“. In: Basler Magazin, Nr. 16, 24.April, 1993


  • Jud, Esther: „Viel Glück und Wasser“. Ein Porträt von Pipi-lotti Rist. In Wochenzeitung, Nr. 46, 18. November 1994


  • Pipilotti Rist im Gespräch mit Anne Reich, Kunst-Bulletin Nr. 12, 1992


  • „Eindrücke verdauen“, 1992, Video Objekt, Galerie Stampa, Basel


  • „Pickelporno“ 1992



von Tine