Digitale Dienstreise Sommer 2020: Agiler Tuning Tag mit viel Futter virtuell

Ein Tuning-Tag also. Nun. So. Erst mal spoilern: Es hat sich gelohnt: Viel Futter, tolle Leute, großartig! Zwischen Hamburg, Berlin, München, Duisburg gab’s genug Erfahrungen für einen agilen Austausch.

Warum überhaupt Agilität tunen?

  1. Weil gutes agiles Arbeiten nie fertig ist (egal, wie gut die Definition of Done auch sein mag).
  2. Weil es zuviele „agile“ Projekte gibt, die noch gar nicht richtig angefangen haben, agil zu sein.
  3. Weil ich in hier bei mir zuwenig agile Menschen kenne, um mich auszutauschen.
  4. Weil es immer gut ist, sich Impulse zu holen.
  5. Weil es mich in meiner Arbeit (und Persönlichkeit) weiter entwickelt.

Der Plan

Ursprünglich wollte ich nach Hamburg fahren. Guess what? Im Juli hat sich auch diese Veranstaltung in ein virtuelles Event verwandelt.

Meine Fragen vor dem Tag:

Ob das online über soviele Stunden genauso gut funktioniert? Wie werden die Pausengespräche virtualisiert? Gibt es überhaupt welche? Ist das nicht das Wichtigste an solchen Treffen: Erfahrungsaustausch? Unternehmens- / firmen- / organisationsübergreifend?

Recap

Meine Antworten nach dem Tag:

Ja, fast. Ein bisschen. Ja. Naja, Open Space kann manchmal noch wertvoller sein als Pausengespräche. (Nur mein Ohr tut mir weh, diese leidigen Headsets… Und zum ersten Mal auch mein Rücken vom konzentrierten – und neugierigen – InDenLaptopmonitorKriechen.)

Die Gruppe

Rund 20 Leute, die teilnehmen, dazu noch 3 Leute vom Veranstalter. Der Tag startet mit einem virtuellen Kaffeetrinken, eine Viertelstunde vor Start darf man schon ankommen. Das ist nett.

Der Tag

Nach der üblichen Begrüßung und Orgakrams beginnt der fachliche Teil.

Starter ist ein kurzer Vortrag. Im Kern geht es um Antifragilität. So nennt man die Eigenschaft, wenn Zufälle, Ungewissheit, Probleme, … ein System stärker werden lassen. Also noch etwas mehr als Resilienz, die sich von Hindernissen nicht unterkrigen lässt. Unter dem Titel…

„Kleine Geflügelkunde“

… geht es rund 12 Min lang um Organisationsentwicklung und Produktentwicklung im agilen Umfeld.

Dem klassischen Ansatz, durch Standardisierung bzw. Zentralisierung Risiken im Vorfeld vermeiden zu wollen, steht der flexible Ansatz gegenüber: „Vorbereitet sein“ mit Fokus auf „Verlust beschränken, Gewinn maximieren“. Dazu gehört auch, nicht alles auf 1 Karte zu setzen.

So kommt man zu dem Schluss, dass man vielleicht viele Produkte im Köcher haben sollte. Oder dass man kleine Schritte macht. Oder Experimente etabliert. Dazu gehört auch das Prinzip Primum non nocere. Probier’s aus, solange es nicht schadet (naja, absehbar schadet).

Als Beispiel für kurze Schleifen bekamen wir eine erhellende Erkenntnis aus der Mäusezucht präsentiert: Wusstet Ihr, dass viele medizinische Studien auf demselben Stamm von Mäusen beruht? Die allesamt fitter sind als die Durchschnittsmaus? Jung, stark, widerstandsfähig – weil ständig reproduziert (kurze Zyklen = junge Mäuse züchten die nächste Generation). Und mit denen testet dann alle Welt unsere Medizin. (Ich schweife ab: Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Menschen eigentlich im Durchschnitt keine Supermäuse sind. Also Vorsicht vor solcherart Studien. Also, viel gelernt über Telomere… Altern… und Faktenbasis.)

Zurück zur Agilität. Fazit: Kurze Zyklen und frühes Feedback vermeidet große Risiken. Das macht ein System robust, resilient und antifragil.

Open Space Sessions

Unterstützt durch ein digitales Whiteboard mit Klebezetteln, Tabellen, Pfeilen (miro.com) ging es dann in den aktiven Part.

Board mit Agenda: Digitale Tabelle mit Klebezetteln

Je nach Interesse konnten wir uns ein Thema rauspicken und dort für rund 25 Minuten eintauchen, bevor es wieder zurück und in die nächste Runde ging.

Screenshot miro-BoardDie einzelnen Themen bekamen jeweils ein eigenes Chart, das wir nutzen konnten (nicht mussten). Da kam dann sowas in der Art dabei heraus, wie hier zu sehen für das „Lern-Feuer 2.0“.

Zwischen den Open-Space-Sessions gab es ’ne Stunde Mittagspause. Dann starteten wir mit einer Übung, die nichts mit unseren Themen, sondern mit Selbstorganisation zu tun hatte. Das war wieder mal sehr erhellend – und das nicht nur, weil unsere Gruppe die meisten „Ergebnisse“ hinbekommen hatte ;-)

Wir haben etwas über Prozessbetrachtung, Aufgabenverständnis, Definition of Done und obendrauf auch noch etwas über das eingesetzte Tool (miro) gelernt.

Drumherum

Gottseidank waren Pausen eingeplant. Auch wenn’s immer wieder sehr, sehr spannend ist, sich ausgiebig auszutauschen… Bewegung zwischendurch sowie Tee, Kaffee, sonstige wichtige Dinge hatten zu Recht auch ihren Platz. Ein kleines bisschen Smalltalk war noch drin, vor allem beim Warten darauf, dass sich alle bis zur Session durchgeklickt hatten und im anderen Raum angekommen waren.

In der Feedbackrunde am Ende war der Tenor

  • … dass es erstaunlich gut auch digital funktioniert hat.
  • … dass wir uns trotzdem noch lieber persönlich getroffen hätten, wenn wir die Wahl gehabt hätten.
  • … dass der Austausch für alle wertvoll war.

 

Für mich war nach 2×3 Stunden Online-Interaktion am Ende so ziemlich die Grenze erreicht. Was auch daran liegt, dass ich zu Hause eben keine optimale Online-Umgebung habe. Hätte ich ein Büro dafür nutzen können, wäre das sicher weniger anstrengend gewesen.

Der nicht-so-faktenorientierte, persönliche Austausch mit Leuten, die ähnliche Herausforderungen haben wie ich, fiel etwas hinten runter (Visitenkartentausch hab ich nicht hinbekommen). Was die Themen angeht, erlebte ich unterm Strich einen tollen Tag, was u. a. an der hilfreichen „kollegiale Beratung“ liegt. Viel Futter, etwas (zu?) wenig Socialising.

Augen-Logo Maria

Firma retten mittels Comic

Das Ziel

CoverDie Idee, aus einem Wirtschaftsroman eine Graphic Novel zu machen, stammt von der Tocher des Erfinders  der „Theory of Constraints“ (dt. Engpasstheorie oder Theorie der Prozessoptimierung), Dr. Eli Goldratt. Dieser anwortete, als er gebeten wurde, seine Theorie in 5 Sätzen zusammenzufassen, mit nur einem einzigen Wort: Fokus. Allein das hat mich schon zum Ad-hoc-Fan gemacht, noch bevor ich mit der Lektüre begonnen hatte ;-)

Denn Fokus kann zaubern, es macht, dass man etwas fertig bekommt und nicht nur immer wieder 1000 neue Sachen anfängt. Neugierig hab ich also losgelesen.

ComicseiteDie Geschichte beginnt mitten im Arbeitsalltag und man fiebert auch schnell mit dem Protagonisten und seiner Frau mit. (Seine Frau, die eine IT-Firmal leitet … allein  das ist ja schon herausragend, diese Nebenrolle so zu besetzen! Und das Buch, auf dem der Comic basiert, ist aus dem Jahr 1984. Erstaunlich.) In einigen Schleifen pirscht sich der Manager Al Rogo an seine drängenden und existenziellen Probleme heran und löst sie mit Hilfe der Wissenschaft (naja, zumindest mit Hilfe eines Wissenschaftlers): Mr. Rogo wird von der Unternehmensleitung ein Ultimatum gestellt. Entweder es gelingt ihm, seine Fabrikanlage innerhalb von 3 Monaten deutlich profitabler zu machen, oder sie wird geschlossen und Hunderte Menschen verlieren ihre Jobs, die kleine Stadt würde dadurch auch noch deutlich herausgefordert. Puh.

Die Geschichte erfordert wenig Vorkenntnisse, wenn man mal Berührung hatte mit Unternehmerischen Grundgedanken. Dann kommt man ganz gut mit. Hm…. nur bei NettoertragGewinnRenditeCash Flow… da musste ich erst mal die feinen Unterschiede nachschlagen. Was ich mich sonst noch gefragt habe: Ist der Ausdruck „Jemand stellt einen anderen in den Senkel“ eine Redewendung, die ich kennen sollte? Hab ich auch mal nachgeschlagen…

Die Schlüsselelemente der von Eliyahu Goldratt entwickelten Theory of Constraints sind in dieser Graphic Novel fachlich fundiert und visuell ansprechend erzählt.

Fazit: Comiclesen, lernen, vielleicht selbst erfolgreicher werden… Besonders der Ausflug mit Herbie mit seinem großen Rucksack bringt Licht in die Sache. Ha! Wer jetzt nicht neugierig ist…

Themen

  • Theory of Constraints
  • Liefer- und Produktionsketten
  • Arbeitsprozesse
  • Pfadfinderwanderung

Eliyahu M. Goldratt (bzw. seine Tochter) und Dwight Jon Zimmerman: „Das Ziel. Eine Business-Graphic-Novel“. campus 2018. 25,- EUR. ISBN 978-3-59350906-8.

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